Eric van der Wal Verlag
1861 TL BERGEN NH - HOLLAND
Gedichte
Oskar Ansull - Klaus-Dieter Brunotte - Hans Georg Bulla
Uwe Claus -Georg Oswald Cott - Hugo Dittberner - Wolfgang Eschker
Andreas Hausfeld - Hans-Jürgen Heise - Friederike Kohn - Gerd Kolter
Peter Piontek - Marianne Rieger - Birgit Rühe - Walle Sayer - Christiane Schulz
Richard Pietraß -Holger Schwenke - Barbara Sellin - Max Sessner
Hans-Jürgen Singer - Wilhelm Steffens - Bert Strebe
Johann P. Tammen - Eva Taylor - Clemens Umbricht
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N.B. Die Rechte der Gedichte liegen bei den Autoren und Autorinnen. © by the authors 2012
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aus: gruss an korf (2009)
gruss an korf
für christian morgenstern und
bitte: erfinde eine lampe die nacht in nacht im nu verwandelt ein
tasten nur dass alles
licht verlischt lichthöfe
mutieren flux
zu dunkelzonen oh
hörbar schöne
finsternis dank
gedachter lampe und
in der dämmerung hülle geht claudius dahin wie so manche dinge |
aus: In den Himmel wachsen (1997)
der name vanessa
am abend kam regen der garten nahm dieses seltsame licht an wie damals in blow up dieses satte grün der büsche und wir erinnerten uns daß unsere tochter den namen vanessa bekommen hätte |
aus: Stürzen (2000)
Aus einer Geschichte
so ging der ganze Sommer hin und rührte mich nicht mehr blieb offen auf der Straße stehn ich selbst im halben Schritt und Sturz dann stürzend zum Asphalt und fiel und lag gleich tief vorm Herbst |
aus: Mit der Hand auf der Schulter (2006)
Schatten der Blinde
am Strand mit dem
Stock weiß angestrichen bis zum
festen Griff der Hand er trifft
zwischen die Steine er hört
das Wasser schmeckt
das Wasser sammelt den
Wind in seinen Haaren er sieht
die seltene Möwe und ein
Segel ab und zu ein
Schatten der seine Augen streift |
aus: Stimmen im Depot (2011)
Kommen und gehen
Am Depot stand ich, wo sich die Kisten stapeln. Wer vorbeikam, holte sich seinen Teil. Am Ende blieb mir nichts in der Hand, Rücken zur Wand, zur Wand das Gesicht, ich schämte mich nicht. Am Depot stand ich und gehe wieder hin, wo die Kisten sich stapeln. Mach hin, mach hin, wart auf das, was dir fehlt. |
aus: Garten Eden im Kopf (2010)
Klage
Adams, Garten Eden im Kopf Ein
schwarzer Hund streunt den Gartenweg entlang.
Er wittert meine Angst. Ich kehre um und
gehe mir selbst aus dem Weg. Die Äpfel hängen schrumplig
im Geäst, die Erkenntnis birgt den Kern. Morgenvögel
flattern: Auf und davon! Suche ich das Weite, hör
ich Evas Stimme schon: Adam, wo bist du? Herr,
warum nur trägt sie kein Schild um den Hals? Vorsicht!
Elektrisch geladen! So träume ich vom
Knallerbsenstrauch, der Grenze zum Paradies. Elstern
entzünden ein Feuerwerk, ihr Gelächter knattert
himmelwärts, selbst der Mond, der kahle Mongolenschädel
des Wächters, strahlt poliert. Nur Gott, mein
verzagtes Herz, wagt nicht, Eva unter die Augen zu
treten – hilflos zucken Bäume mit den Achseln.
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aus: Karrenspur (2001)
Schneeverweht im Feldgeschrei mit jedem Winter kehrt dies Bild zurück
hoch aufgetürmt die Siebensachen Mutter zieht den Bollerwagen
und auf seiner Karrenspur unter ihren Zipfelmützen die Kleinen stolpern hinterher
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aus: Vor den Pferdeweiden (1999)
Englische Schlager im Nebenzimmer Eine Weile im Weltraum
*
Munterer Nordwind Kein König Ein Gouverneur mit starker Nase
*
Pferde will ich sehn morgens Schnauben auch selbst mal Und den Rist finden |
aus: Und die Alleebäume (2006)
Und die Alleebäume
Und die Alleebäume? Sagt nicht die Frage genug? Für immer wollten wir aufmerksam sein |
aus: Bilder aus Südsüdost
Balkan
Vom Bergkranz eingeschlossen die Stadt, der Serail.
Der erste Schnee ist längst erstickt vom zweiten Schnee, vom dritten Schnee, bis alles Leben eingeschneit.
Aus Gitterfenstern, wie aus alten Zeiten, weht ein Klaggesang herüber:
Hätt
ich Papier, weit wie die Flur von Mostar, Hätt
eine Feder ich, stark wie des Falken Federn, Und
Tinte, schwarz, wie's kalte Donauwasser, Ja,
wär ich selbst der Schreiber Sarajevos, Und
schriebe drei, drei lange Jahre lang, Es reichte nicht, mein Elend zu beschreiben. |
aus: Hemdsärmelig (1998)
Hemdsärmelig
Die Terrasse beim Hinausgehn auf der das Licht schön war im Schatten und über einer Stuhllehne das Hemd hing
Mit hochgekrempelten Ärmeln siebte es was kam an Brise die nahm Schweiß mit sich man erahnte den abgewetzten Kragen
Die Kippen in der Flasche aufgeweicht im Brackwasser von Tabak und Filtern schwamm der verrauchte Sommer |
aus: Kairo und andere Dörfer (2005)
Mors
stupebit Kairo, März 1996 Taxihupen,
heulende Sirenen über
die Brücke des 26. Juli. Später
im Pub 28, the oldest English
Pub in town, bei chicken und
gechlortem Wasser, hatten wir
ihr Duett mit Giuseppe noch im
Kopf. Der Bassist am Steuer, die
Streicherbögen zimmerten Särge,
der Tubist legte seine Uhr aufs
Notenpult, wozu die noch. Immer
zügiger glitt das endliche Rascheln
aus dem Takt. Das ist vorbei.
Hähnchenfett tropft dir von
den Mundwinkeln. In der Ecke der
Geigenkasten. Seinen Bogen haben
wir übers Brückengeländer geschmissen.
Dabei hielten wir uns, als wäre es Juli. |
aus: Herbarien und andere Biotope (1997)
Verläßlich
Du aber kommst den Frühling schon unter der Zunge jeden Morgen in mein Zimmer / behauchst das zugefrorene Fenster und putzt den Himmel ein bißchen blau
[1996] |
aus: Die Regenkatze (2005)
... Als ich zurückkehrte, wartete sie an der Tür, schlich geduldig hinter mir her in mein Zimmer, wo ich die Tasche abstellte und meinen Mantel über den Stuhl hängte. Ich zog die Gardinen zurück und ließ die Mittagssonne über die Holzdielen wandern. Die Regenkatze blinzelte und sprang auf das Fensterbrett. Sonnenfunken fingen sich in ihrem dunklen Fell. Ich betrachtete sie lange und fühlte, wie ich auftaute, Wasser meine Haut hinunterlief in langen krummen Straßen. ... |
aus: Was er sich nur denkt (1999)
Ein Haus, ein Garten auf Zeit
Ein Tag reicht nicht bis hin das lässt dich schlafen mit den Träumen unter dem Lid
Granit wächst hier für Haus und Mauern zum Leben verlässlich wie zum Sterben
Wir besetzen den Garten mit Tisch und Stuhl an anderer Stelle jeden Tag der bleibt |
aus: Was er sich nur denkt (1999)
Was er sich denkt: Ohne vorherige Verhandlung mit sich selbst aus dem Haus zu gehen, auch auf dem Weg sich nicht zu bereden, im stärksten Verkehr, sicher die Räume ausnutzend, die Hauptstraße zu überqueren, vor der anderen Tür sich aufzurichten, als ginge es wieder einmal um einen Anfang - was er sich nur denkt. |
aus: Vor der Krümmung (2007)
Nach dem Regen
Das Auge ist schärfer über Nacht und kürzer der Luftweg zum Leuchtturm
Zeit dem Wasser auf den Grund zu geben und den weißen Fleck zu verfolgen vor der Krümmung der Welt |
3 Dreizeiler aus: Leuchtspur (2008)
Irrlichter der Sprache Durchs Wortmeer folg ich euch Zum Stotterschotter * Kohlweißling Durchs Fliegengitter spitz ich Deinen Winkelflug * Zündholz Sekunden Im Wind entfacht Wimpernschlag Am Rand der Nacht
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aus: Ins aufgegebene Land (1998)
Fest bleibt eins
Mein Alphabet begänne mit B wie Birnbaum (nicht der zu Ribbeck obwohl er ihn gerne zitierte sie waren vom selben Holz die Alten)
den Birnbaum gibt es im Hof meines Großvaters gab es ihn
so bleibt eines fest in der Welt wie der Biß in eine jener Früchte der einmal für immer bestimmt hat was eine Birne ist
sie faulten schnell nach der Ernte das Alphabet beginnen mit B |
aus: Aus der Natur (2004)
Neufelder Interieur
und der Stein fiel aus seinem Wort
war gefallen und nahm Gestalt an Ohr und Stimme oder des Holzes
während der Kakadu tanzt die steingrauen Klauen fest um das Sitzholz gekrallt aber tanzt
den Kiesel im schieferfarbenen Schnabel rollt und dem gefiederten Geschlecht zuspricht der Orchidee
und das bleiche afrikanische Idol vor dem Astknorren aus dem irischen Moor hockt aber starr und als ob
auch Tisch und Stuhl und wir sitzen willst du es eine Bekehrung nennen und mein Gedicht die hölzerne Wurzel
wie ein Stein wie die halbe Gabel einer Wünschelrute
die ausssieht wie ein Stein der die halbe Gabel der Wünschelrute
nachahmt als wäre er und als sei er
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aus: Mit einem Anstrich von Rubin (1998)
Wiedergutmachung
Künstler sind nichts als getarnte Landstreicherdiebe die unverhohlen einen windgeschliffenen Apfel eine bißfertige Pflaume sich aneignen über den Zaun
wissen sie doch eines Tages fangen die gestohlenen Stillebenbirnen an sich zu bewegen kehren zurück in ihre inzwischen vom Schnee geblichenen Gärten
mit einem Anstrich von Rubin |
aus: Die Häuser am anderen Ufer (1996)
Pfingstsonntag
Milchig der Himmel zwischen den Dächern spät und im Regen die Blasmusik heute nur wenige aus den Häusern mit Geld das Kind wippt in den Knien winkt dem Blech macht mich so müde
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aus: Das Ende der sieben Gärten (2003)
Der Mond
Der Mond stand voll ich ging mit meinem Vater ins Tal durch einen Fichtenwald meine kleine Hand in seiner du bist sagte mein Vater zu groß um mich noch anzufassen so ging ich allein durch einen Wald
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aus: Ausgangspunkt (1998)
Ufer
Wir sehen ihm nach, dem Stein, wie er hüpft auf dem Wasser, so leicht aus dem Gelenk meiner Hand, die dir vorhin noch strich übers Haar. |
aus: Ebenland (2004)
Brandbrief Ziehen Motten über die Rosskastanienblätter Nonnen über die Kiefernnadeln den Langen Kerlen die Haare vom Kopf die Haut bei lebendigem Leibe dem Feldahorn dem Übermut dem Nimmersatt die heißen Hände am hellichten Tage das Fell über die Ohren im Schlemmerland die Knochenreste Rauchzeichen vor makellosem Himmel baut die Spinne ihr makelloses Netz im Nachthell im Lichterloh
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aus: Ein Vergleich (1999)
...
Wie ein Rückblick auf die Sprache, die es nicht gibt.
Wie der Schneefall: ein anderes Wort für den Wald, das Lied im Gesang und den unbekannten Tod.
... |
aus: landliebe paarweise (1999)
nichts für lilien
spielwiese heisses gras für naturfreunde und wie sie dich bestellt und du sie ausführst so weit so fort und bis zuletzt die heisse wiese mit spielen über spielen nicht zu spassen und finde mal ein gutes haar auf der wiese ein paar lilien wie auf dem feld |
aus: Der tschechische Reiter (2003)
Der tschechische Reiter Abend und frühes Dunkel wir hatten
eben Licht gemacht entfernt
bellte ein Hund über die
Wiesen und die Pferde galloppierten
wie immer um diese
Zeit durch die Gedanken meines
Großvaters da hörte ich
wie eines seinen Reiter abwarf
ein spitzer Schrei der
Überraschung ich übte gerade
an meiner Unterschrift Blatt um Blatt immer wieder mein Name
der auch der meines Großvaters war als sein Kopf
sanft zur Seite fiel das Pferd vielleicht scheute dann still
stand und verwundert auf
den Mann blickte der mit
dem Gesicht zur Erde seltsam
verrenkt vor ihm lag |
Aus: Vermeers Mädchen (2005)
Vermeers Mädchen
Die
junge Frau blickt sich um, als wolle sie sagen, sie habe es wissen müssen,
dass sie, wenn sie sich in seinem Haus verdinge, einmal so in einer
Bewegung werde innehalten müssen, damit der Meister sie verewigen könne,
sie sich das aber nicht vorstellen könne, dass ihr Gesicht noch in drei
Jahrhunderten genauso jung und frisch einem Betrachter erscheine wie
gerade in diesem Augenblick, in dem sie von ihm festgehalten werde.
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aus: Unbescholten vom Licht (2002)
ZWISCHEN
ZEIT UND WORT |
aus: Zwischenwasser (1999)
ZWISCHENWASSER
nachts wiege ich das steinschleifende meer in der geschlitzten schale meiner hand
über jahre legt die strömung die nerven bloß, über jahre wächst mir eine neue haut aus salz
morgens nisten luftblasen in den weißen poren |
aus: Katzenlicht (2002)
KATZENLICHT
sickert mein grünes blut in den flachen morgen
der winter kommt, ich will schnee sein
du bist mir die weiße luft
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aus: Lahnungen (1998)
Das Wasser, das kollabierende Eis
Willkommen im großen Leck: hier sickert ein sickert aus das gut Gewissen ist ein sanft Ruhekissen ist Schwelbrand das einerseits andrerseits Schlacke buntscheckiges Gift verflüchtigt im Faulgrund der Meere und wieder entfesselt in Hanglagen unterhalb knitternder Fjorde abseits Geraune tosende Stille in den Laboren wo die Bestecke des Wundarztes beschlagnahmt eine korrupte Regierung wasch du mich so wasch ich dich schäkern die Plünderer und trübe zerrinnt das kollabierende Eis die schmeichelnde Flut das Wasser das andere wäscht. |
aus: Aus dem Schneebuch [2008]
Schneebuch
In absentia taste ich Wortlinien nach, zeichne sie ab, wo Sand sich ausbreitet. Atlanten aus frührem Leben haben mich vom Weg abgebracht. Schnee liegt nun auf den Dächern Stille und Licht in deiner Abwesenheit finde ich ein Schneebuch. Dünne Seiten wie Wellen aus der Tiefe der Haut treffen auch dich in absentia.
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aus: Alonsos Lächeln [2003]
Alonsos
Lächeln nicht sagen, jedenfalls nicht so. Sein Lächeln bleibt undurchschaubar. Er ist kein anderer, aber er weiss genau, worauf es ankommt. |
1. August 2012